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Und weiter geht es mit der Artikelserie des Privatiers…

Teil B: „Risikobereitschaft“

Was bisher geschah:

Mein Name ist Hubert und ich habe mit 56 Jahren meinen Job als Angestellter aufgegeben, um fortan von meinem Kapital zu leben.

Im ersten Teil meines Gastbeitrages habe ich etwas über „Ziele“ erzählt. In der ersten Hälfte des zweiten Teils ging es dann um die Frage „Wann ist es genug“ und heute nun werde ich einmal erläutern, WIE ich mein heutiges Kapital angesammelt habe.

Natürlich ist diese Frage nicht so einfach zu beantworten. Gerade im Rückblick auf ca. 30 Jahre gibt es sicher viele Einflüsse und ich gehöre nicht zu den Buchhaltern, die jeden Cent katalogisiert haben.

Ich werde daher mal ein paar Dinge nennen, die mir im Rückblick wichtig erscheinen.

Wertpapiere:
Ich denke, dass der Hauptteil (ca. 70%) meines Kapitals aus dem Handel mit Wertpapieren entstammt. Ich sage mit Absicht „Wertpapiere“ und nicht etwa „Aktien“, weil ich in diesem Sektor über die 30 Jahre hinweg so gut wie alles gehandelt habe, was es so gibt. Angefangen natürlich mit Aktien, inländisch wie ausländisch bis exotisch, dann Optionsscheine und Optionen, Zertifikate, wenige Fonds, ganz wenig Festverzinsliches. Bei den Derivaten war alles vertreten: Aktien, Indizes, Devisen und Rohstoffe.

Wichtig fand ich dabei immer, nicht irgendwelchen Tipps nachzulaufen, sondern sich eine eigene Meinung zu bilden. Und die war oftmals falsch ! Ich habe Verluste ohne Ende gemacht ! Ich habe wirklich seeehr viele Positionen aus meinem Depot komplett mit Null (oder so gut wie) ausgebucht. Bei Aktien, weil die Firmen pleite waren (etliche !, z.B. u.a. PanAm, Commodore, Dakota Mining, Demirbank, China Construction Holding, Silicon Graphics, Kolb&Schüle, Hypo Real Estate). Okay – manche waren nicht wirklich “Null” wert, aber bei einem Verlust von 95% kommt’s darauf dann auch nicht mehr an.

Naja – und Derivate (Optionen, Optionsscheine und Zertifikate) habe die unangenehme Eigenschaft, dass die irgendwann ablaufen und im Zweifelsfall dann wertlos (oder nahezu) verfallen.

Selbstverständlich waren auch einige richtige Entscheidungen dabei. Sonst wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Zwei „Highlights“, an die ich mich noch gut erinnere, war einmal ein Gewinn mit einem Optionsschein von 1000 % (in Worten: Eintausend !). Leider kann man sich von Prozenten nichts kaufen, sondern nur von absoluten Gewinnen, und der war im geschilderten Fall durch vorherige Teil-Verkäufe nicht mehr ganz so sensationell.

Noch geiler aber fand ich den Verkauf einer Put-Option. Das Besondere daran ist, dass man einen prozentualen Gewinn gar nicht ausrechnen kann, da man eine solche Option aus dem Nichts heraus „erschafft“. Also ohne jeden eigenen Einsatz. Man verkauft etwas, was man vorher gar nicht hatte, was es vorher noch nicht mal gab. Aus dem Nichts. Und kassiert dafür ordentlich Geld. Genial. Das begeistert mich heute noch ! Habe ich drei- oder viermal erfolgreich praktiziert. Dann ist ein Geschäft in die Hose gegangen. Ab dann habe ich das lieber gelassen…

Aber ich verliere mich in Details…
Also – Wertpapiere lautet meine Empfehlung. Und wichtig dabei: Selber denken.

Und was ist mit den vielen Regeln, die man allerorten lesen kann ? Nun – ich habe sie ALLE gebrochen:

Regeln:
Ich habe von Anfang an KEINE Aktien mit „Substanz“ und/oder einer ordentlichen Dividenden-Rendite gekauft. Im Gegenteil: Ich habe bewusst auf „Wackel-Kandidaten“ gesetzt, bei denen ich eine gute Chance auf ein Comeback gesehen habe. Solche Werte bieten ein Potential von 100% Gewinn (und mehr). Dividenden haben mich nie interessiert. Gab es bei meinen Aktien auch meistens nicht.
Was ich mit „Wackel-Kandidaten“ meine, kann man gut an meiner Liste der Misserfolge (s.o.) ablesen. Für diejenigen, die diese Firmen nicht kennen (zu lange her oder zu exotisch), hier drei aktuelle Beispiele, die mir spontan einfallen: Commerzbank, Air Berlin, Solarworld. Chance auf 100% Verlust oder 200% Gewinn (oder auch mehr).

Ich habe des Öfteren meine Einstandskurse durch Nachkaufen verbessert (soll man auch nicht machen: „Gutes Geld dem Schlechten hinterherwerfen“).

Und ich habe Aktien auf Kredit gekauft. Und ich rede dabei nicht von einer kurzfristigen Überziehung von ein paar Tagen, sondern bewusst über längere Zeiträume von mehreren Monaten (bis zu ca. 1 Jahr).

Stopp/Loss-Orders zur Absicherung von Kurs-Gewinnen könnte ich wohl an meinen zehn Fingern abzählen, d.h. habe ich so gut wie nicht benutzt. Und wenn, dann habe ich mich in acht von den zehn Fällen nachher geärgert.

In der Summe geht es dabei um die Risikobereitschaft. Ich glaube, dass man ohne eine Portion Risiko nicht weit kommt. Ich habe ernsthaft Zweifel, ob Investitionen in Dividenden-Titel geeignet sind, ein größeres Vermögen aufzubauen. Selbst mit einer Netto-Rendite von 5% werden aus einem Startkapital von 100.000 Euro auch nach 10 Jahren nur 150.000 Euro. Toll… (Kleinkrämer dürfen an dieser Stelle gerne noch den Wiederanlage-Effekt, inkl. Zinseszins hinzuaddieren.)

Aber bitte nicht falsch verstehen ! Ich rede hier von meiner Vergangenheit. Heute sieht das natürlich bei mir völlig anderes aus ! Ich habe mein Risiko deutlich heruntergefahren und mehr als die Hälfte meines Depots in langweiligen Anleihen und Dividendenstarken Titel investiert. Das Risiko muss eben auch immer zur jeweiligen Situation passen.

Was hat noch zum Erfolg beigetragen ?

Lebenseinstellung:
Ich habe immer bescheiden gelebt. Ich habe noch nie Wert auf Status-Symbole gelegt. D.h. allerdings nicht, dass ich sparsam oder geizig wäre. Ganz ich Gegenteil: Ich habe immer den Standpunkt vertreten, dass ich nicht bereit bin, z.B. ein Eigenheim zu kaufen, wenn ich dadurch gezwungen wäre, auf etwas zu verzichten oder auch nur darüber nachzudenken, ob ich nun eine Ausgabe tätige oder nicht. Und das gilt auch für meinen jetzigen Status als Privatier. Ich verzichte auf nichts.

Für mich bedeutet es aber eben auch keinen Verzicht, wenn ich mir keine Edel Jeans für 390 Euro kaufe. Oder ein entsprechendes Auto oder eine Uhr. Ich will das gar nicht haben. Es bedeutet mir nichts.

Ernsthaft „gespart“ habe ich übrigens nie. Auch so eine Regel, die ich nie befolgt habe. Sicher ist am Ende des Monats immer mal was übrig geblieben. Aber das habe ich weder geplant, noch regelmäßig auf ein Spar- oder Anlagekonto gebucht, noch sonst irgendwas.

Risikobereitschaft:
Ich könnte sicher noch endlos weiter erzählen und viele Details näher erläutern. Aber ich denke, meine Grundeinstellung ist schon klar geworden. Ich habe sicher immer zu den eher Risiko orientierten Anlegern gehört (andere würde es „Zocker“ nennen) und habe sicher oft Glück gehabt. Allerdings habe ich auch oft Verluste einstecken müssen. Es reicht eben, wenn am Ende die Summe positiv ist.

Es hat Jahre gegeben, in denen ich an der Börse mehr „verdient“ habe, als in meinem Beruf. Beides immer Netto betrachtet und zu Zeiten, als es noch eine Spekulationsfrist von einem Jahr gab, waren solche Gewinne eben direkt Netto. Das gibt einem schon zu denken, wenn man mit deutlicher weniger als einer Std. Aufwand pro Tag mehr erreicht, als mit 8 Std. stressiger Arbeit…
Aber es hat auch die Jahre gegeben, in denen in nur deshalb das ganze Jahr lang geschuftet habe, um die Verluste an der Börse ausgleichen zu können. Das gibt einem dann noch mehr zu denken…

Und das liegt sicher nicht jedem und das soll auch keine Empfehlung zur Nachahmung sein. Ich sage nur, wie es bei mir war.

Was noch?
Neben der intensiven Beschäftigung mit Wertpapieren habe ich recht frühzeitig ein Einfamilienhaus gekauft, welches mir einige Jahre die Miete gespart hat und heute „nichts“ mehr kostet. Dazu gäbe es sicher auch eine Menge anzumerken, aber lassen wir es hier erst mal so stehen.

Im Laufe der Jahre gab es auch noch zwei kleinere Erbschaften, die sicher nicht Ausschlag gebend waren, aber die Sache durchaus etwas erleichtert haben.

Nicht vergessen will auch vier Beteiligungen an Kapitalanlage Gesellschaften: Ich war einer der Gründungs­gesellschafter der Umweltbank, hatte Beteiligungen an zwei Windparks und war am Umbau und der Modernisierung und Vermietung von Immobilien in den neuen Ländern beteiligt. Letzteres übrigens (zur Steigerung des eingesetzten Kapitals teilweise mit Kredit finanziert). Das Ergebnis solcher Beteiligungen lässt sich im Nachhinein nur sehr schwer einschätzen. Ein besonderer Renner waren sie aber wohl allesamt nicht.

Zum Guten Schluss habe ich dann den Schritt aus den Arbeitsleben heraus auch deshalb gewagt, weil ich mit meinen ehemaligen Arbeitgeber eine gute Abfindung aushandeln konnte.

Wie sich das heute, ein knappes Jahr nach meinen Ausstieg darstellt. Wie und ob sich mein Leben verändert hat, werde ich dann im dritten und vorerst letzten Teil meiner „Gedanken eines Privatiers“ erzählen.

Bis dahin, Der Privatier

Nachtrag:
Aufgrund einiger Nachfragen zu den bisherigen Beiträgen hier noch ein paar Eckdaten. Alle gültig für die Vergangenheit.

* Ich war/bin Diplom-Ingenieur und habe während meiner Berufstätigkeit durchschnittlich bis gut verdient. Keine Management-Position, kein Spitzenverdiener, sondern nach Tarif bezahlt. Keine Provisionen, keine Extras.

* Wie oben im Text schon geschrieben: Sparquote (geplant/bewusst) = 0.

* Kapital-Anlage ausschließlich in Wertpapieren, Ausnahme: selbst genutztes Eigenheim, phasen­weise auch Anteile in Festgeld o.ä., wenig Fonds, keine Anleihen.

* Aktien und Derivate mit hohem Auslandsanteil (Schwerpunkt: USA), Branchen: Viel Computer / IT / Software, Kommunikation, u.ä.

* Hohe bis höchste Risikobereitschaft (z.B. Optionen). Ich hatte keine Lebensversicherung und keine Berufsunfähigkeitsversicherung.

* Keine direkten Investitionen in Immobilien, kein Edelmetalle.

Und nun noch meine aktuelle Prognose der Kapital-Entwicklung in zwei Varianten:
Grün – Normale Entwicklung, Blau – Etwas schlechtere Randbedingungen.

Zum Weiterlesen:
Gedanken eines Privatiers – Teil 1
Gedanken eines Privatiers – Teil 2
Lust auf ein passives Einkommen?