frei werden

Was bisher geschah:

Mein Name ist Hubert und ich bin seit einem knappen Jahr „Privatier“.

Im ersten Teil meines Gastbeitrages habe ich erzählt, wie ich mit 56 Jahren (verheiratet, keine Kinder) meinen Job als Angestellter aufgegeben habe, um fortan von meinen Kapitaleinkünften zu leben.

Im zweiten Teil habe ich die wichtigsten Faktoren dargestellt, die ich zum Aufbau des dazu erforderlichen Vermögens benötigt habe.

Im dritten – und vorerst letzten Teil – will ich erzählen, wie es mir heute so geht.

Für die Hektiker unter den Lesern, die keine Zeit finden, meinen langatmigen Ausführungen zu folgen, hier die Kurzfassung:

Es geht mir gut und ich habe es noch keinen Tag bereut, den Schritt getan zu haben !

Für die etwas Geduldigeren nun die längere Fassung:

Damit das Ganze aber nicht zuuu lang wird, möchte ich mich auf die Aspekte meiner heutigen Situation beschränken, die sich mit finanziellen Fragen befassen. Schließlich sind wir ja hier in einem Finanz-Blog.
Wobei es natürlich auch durchaus andere (nicht unwichtige) Dinge im Leben gibt, die sich ändern. Insbesondere die „Nutzung“ der gewonnenen Zeit aber auch das erforderliche Neu-Justieren des Zusammenlebens mit der Ehefrau und ähnliche Fragen mehr. Lasse ich hier alles mal weg.

Und komme zu den finanziellen Aspekten:

Nun – als erstes habe ich schon während der Verhandlungen über mein Ausscheiden aus meiner letzten Firma mit der „Vollbremsung“ in meinem Depot begonnen. Will heißen: Konsequenter Umbau in eine Risiko ärmere Struktur. Ich habe so ziemlich zum ersten Mal bewusst Anleihen ausgesucht und nach Dividenden Renditen Ausschau gehalten. Und mich von einigen Zocker-Papieren getrennt. Der Prozess ist noch nicht so ganz beendet (und wird es wohl auch nie werden). Aber ich bin schon ganz zufrieden.

Was mir momentan noch fehlt und wo ich daher auch (noch) keine Auskunft drüber geben kann, ist die Frage, wie viel denn nun meine Kapitalerträge zu meinen Lebensunterhalt beitragen und wie viel ich aus der Substanz verbrauche. Das ist eine weitere Fragestellung, deren Lösung ich ständig zu optimieren versuche.

Die Schwierigkeit dabei ergibt sich u.a. dadurch, dass sich meine Erfahrung erst über einige wenige Monate erstreckt und aber auch (wichtiger!), dass ich meine Einkünfte ausschließlich aus Wertpapieren beziehe, die in der Regel nur jährlich einmal ausschütten.
Eine weitere Eigenheit von Wertpapieren (auch von langweiligen Anleihen) ist die Tatsache, dass sich ihr Wert ständig ändert und sich daher auch meine Prognosen über die Dauer, die das Kapital noch reicht, sich sozusagen im Wochentakt mal eben um ein paar Jahre nach vorne oder hinten schieben können. Nicht wirklich beruhigend. Aber auch nicht beängstigend.

Wenn keine großen Katastrophen passieren (wie Euro-Crash, Hyperinflation, Zwangs-Enteignung aller „Reichen“), dann bin ich immer noch gaaanz entspannt.

Inzwischen habe ich wohl auch die Anfangsphase meines Privatier-Dasein ganz gut überstanden, wo ich stellenweise den Eindruck hatte, meinen 8-Std. Job im Büro gegen die 8-stdige Beschäftigung mit irgendwelchem Behörden-Kram zu verbringen. Es kommen schon so einige Themen auf einen zu, mit denen man sich (besser vorher) beschäftigen muss: Angefangen natürlich mit den vielfältigen Fragen zum Thema Rente (gesetzl., vom Arbeitgeber, Riester, Rürup ? Was und wie viel zahle ich wo ein und warum? Wann kann/soll/will ich Rente beziehen ? Wie hoch wird das sein ? usw. usw.).

Und natürlich die Krankenkasse ! Wie wird der Beitrag berechnet ? Kann die Frau (wie bisher) mitversichert bleiben ? Und dann mein Liebling: Das Finanzamt ! Fragen und Antworten ohne Ende.

Und die Dinge, die ich mir freiwillig angetan habe: Wechsel des Gas-Anbieters, des Strom-Tarifs, der Autoversicherung, des DSL-Vertrages, … und zweier Halogenbirnen (kleiner Scherz !).
Jedenfalls: Schreibkram und Telefonate ohne Ende und natürlich erstmal: Viiiel lesen und lernen.

Zurück zum Finanziellen:

Was mich ein bisschen stört, ist die Unregelmäßigkeit, mit der meine Kapitalerträge fließen. Oder besser gesagt: Mir fehlt diese Regelmäßigkeit, mit der in der Vergangenheit jeden Monat das Geld auf dem Konto eingegangen ist. Aber ich denke, das ist nur ein Gefühl, an das ich mich im Laufe der Zeit schon gewöhnen werde.

Und wo ich gerade bei den Gefühlen bin – da gibt es noch eins, was sich entscheidend verändert hat und was ich auch (zumindest momentan) negativ empfinde. Wie sicher jeder nachempfinden kann, vermittelt einem ein gewisses Kapital „im Rücken“ während seiner Zeit als Angestellter doch irgendwie ein gewisses Gefühl der Sicherheit. Je nach Höhe des Kapitals hat man die Gewissheit, einen Zeitraum von ein, zwei oder auch drei Jahren locker überstehen zu können. Und das auch ohne Arbeitslosengeld, ohne jede externe Mittel, vielleicht sogar ohne Einkünfte aus dem Kapital. Komme, was wolle.

Zumindest ist es mir so gegangen und dieses Gefühl war mir auch immer wichtig. Und dieses Gefühl ist jetzt weg ! Ich bin mir zwar immer noch sicher, dass meine Prognosen richtig sind und ich habe auch keine Zweifel, dass alles richtig war und alles klappt. Dennoch – das Gefühl ist weg.
Wahrscheinlich so ähnlich, wie derjenige, der die Gürtel zum Hosenträger braucht. Ist der Gürtel erst mal weg, fühlt er sich unwohl…

So – und wie geht es weiter ?

Nun – ich werde weiter versuchen, meine Kapitalerträge zu optimieren. In jeder Hinsicht. Sowohl was die Aufteilung angeht (derzeit ca. 5% Liquidität, 45% Anleihen, 20% Dividenden-Aktien, 15% Wachtums-Aktien, 10% Immobilien/Rohstoffe und noch ein bisschen „Restmüll“), als auch was die Erträge angeht. Mein Ziel wäre es natürlich, dass die Erträge meinen Verbrauch decken (tun sie momentan noch nicht) oder vielleicht sogar übersteigen.

Als Fazit aus alledem könnte man wohl sagen, dass ich nicht etwa in „Saus und Braus“ lebe und das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinauswerfe, sondern dass das Ganze schon auch eine gewisse Unsicherheit birgt und sicher (zumindest momentan) einer ständigen Aufmerksamkeit, Beschäftigung und Optimierung bedarf. Aber das mache ich ja gerne. Kein Problem.

Damit wäre ich erstmal am Ende meiner Erzählung angelangt. Ich hoffe, es hat ein bisschen Spaß gemacht und ihr konntet vielleicht die eine oder andere Erkenntnis mitnehmen.

Vielleicht melde ich mich ja gelegentlich noch einmal zu Wort – oder aber ich starte einen eigenen Blog. Das würde mir sicher auch Spaß machen. Aber ich bin eben auch arbeitsscheu…

Bis dahin, Der Privatier

Zum Weiterlesen:
Gedanken eines Privatiers – Teil 1
Gedanken eines Privatiers – Teil 2A
Gedanken eines Privatiers – Teil 2B